Manchmal vergesse ich meinen Glauben

Meinem eigenen Gottesbild auf der Spur zu sein und meinen Glauben im Alltag zu leben, fällt mir auch als Theologin nicht immer leicht. In meinem Studium bin ich Gott wissenschaftlich begegnet, habe die Lehrmeinung der Kirche wiedergegeben und mich mit kritischen Positionen auseinandergesetzt. Die Frage der eigenen Gottesvorstellung, die Frage nach meiner eigenen Spiritualität lässt sich dadurch nicht leichter beantworten. Ganz im Gegenteil vielleicht. Die wissenschaftliche, theologische Auseinandersetzung verdrängte auch manchmal die Frage nach meinem eigenen Glauben.

Der Kern meines eigenen Glaubens ist die Botschaft Gottes, dass ich vor allem geliebt bin. Die Liebe Gottes ist für mich ein wunderbares Geschenk. Ich glaube, dass diese Liebe nichts ist, was von außen dazu kommt, sondern dass sie in jedem Menschen so tief steckt und auf diese Weise zur Grundlage unserer Existenz wird. Diese Liebe lässt uns fähig werden, uns selbst zu lieben und diese Liebe mit anderen Menschen zu teilen. Daher ist es für mich wichtig, meinen Glauben nicht in den eigenen vier Wänden zu verstecken, sondern ihn in Gemeinschaft zu feiern und ihn Teil meines täglichen Handelns werden zu lassen.

Doch wann gebe ich meinem Glauben in meinem Alltag Raum? Wenn ich bei meinem Abendgebet einschlafe, weil der Tag mich so geschafft hat? Wenn ich mir sonntags das Ausschlafen gönne, anstatt zum Gottesdienst zu gehen? Glaube ich eigentlich richtig, wenn ich mich gerade nicht zu einer festen Gemeinde dazugehörig fühle?

Kürzlich wurde mir auf einer Fortbildung die Frage gestellt: „Was glaubst du, wünscht sich Gott von dir? Was würde Jesus wohl zu deinen täglich zu treffenden Entscheidungen sagen?“ Diese beiden Fragen stehen seit diesem Tag auf einem Post-IT neben meinem Computerbildschirm und geben Gott so jeden Tag mehr Raum in meinem Handeln, in meinem Alltag. Es erinnert mich daran, dass mein Handeln in etwas viel größeres eingebunden ist.

Text: Charlotte Friede

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